Lest mehr Bücher von Frauen!

Heute am Fre­itag, den 8. März ist es wieder soweit: Es ist Welt­frauen­tag — in Berlin seit heute auch Feiertag! Und wenn wir eins durch Trump, #metoo, Time’s up, equal pay day und so weit­er gel­ernt haben, dann, dass Frauen immer noch nicht gle­ich­berechtigt sind mit Män­nern. Das schlägt sich auch auf dem Buch­markt wider, wo noch immer mehr männliche Autoren ver­legt, verkauft, geehrt und rezen­siert wer­den als Autorin­nen! Der Lit­er­aturnobel­preis ging seit dem Beginn im Jahr 1901 nur 12 Mal (von ins­ge­samt 114 Preisen) an eine Frau, zulet­zt 2015. Dabei schreiben Frauen ganz tolle Büch­er, in allen Gen­res! Wie kön­nen wir Autorin­nen stärken? Zum Beispiel indem wir ihre Büch­er lesen, besprechen und empfehlen!!

Katja Kettu — Feuerherz

Ket­tus Feuer­herz läuft zwei­gleisig. Ein­mal lesen wir über Irga, die um 1930 aus Finn­land nach Rus­s­land fliegt; schwanger und nur mit ein paar Skiern aus­ges­tat­tet. 2015 such die Finnin Ver­na in Rus­s­land ihren Vater, nur um ihn tot zu find­en. Auf ihrer Suche nach Antworten, triff sie auf eine mys­ter­iöse alte Frau, die ihr zwar helfen will, aber ein­deutig auch etwas zu ver­ber­gen hat.
Wie schon sein Vorgänger Wildauge ist Feuer­herz ein außeror­dentlich­er Roman über zwei Starke Frauen, die sich behaupten müssen. Neben dem poet­is­chen Erzählstil, ist vor allem die  nicht chro­nol­o­gis­che Erzählweise unge­mein fes­sel­nd. Die zwei Zeit­ebe­nen wer­den miteinan­der ver­flocht­en, die Geschicht­en näh­ern sich immer mehr an und bauen so den Span­nungs­bo­gen unge­mein auf. Die behan­delte The­men — sow­jetis­che Straflager, Kom­mu­nis­mus, Putin und Stal­in, Gewalt, Hor­ror und eisige Kälte — wer­den sen­si­bel und nüchtern mit magis­chem Real­is­mus in den Haupt­geschichte der zwei Frauen ver­woben. Ein Buch, das unter die Haut geht!
Kat­ja Ket­tu: Feuer­herz. Ull­stein, 430 Seiten

Tove Jansson — Die ehrliche Betrügerin

Tove Jans­son kann eine Geschichte so erzählten, dass man ver­gisst, ob man das The­ma über­haupt inter­es­sant fand. Fam­i­liengeschicht­en zum Beispiel oder alternde Paare. Die Neuüber­set­zung von Die ehrliche Betrügerin ist allerd­ings an sich schon inter­es­sant: Die Geschichte han­delt von der jun­gen, armen Kathi und dem alten, reichen Fräulein Aemelin. Kathi möchte an Aem­lins Geld — auf ehrliche Weise. Bei­de Per­sön­lichkeit­en prallen nun aufeinan­der und ent­fachen einen wahren psy­chol­o­gis­chen Thriller. Neben dem Erzählten ist beson­ders die Erzählweise, die dieses Büch­lein so empfehlenswert macht, denn Tove Jans­son ist eine Kün­st­lerin der Worte!
Tove Jans­son: Die erhrliche Betrügerin. Urach­haus, 173 Seiten

Marianne Storberg — Betsys Brief

Es ist der 20. März 1874 als sich Half­dan von Chris­tiana nach Bonn auf­macht, um seinen jün­geren Brud­er zu pfle­gen, der fieberkrank und mit ein­er weit fort­geschrit­te­nen Tuberku­lose in der frem­den Stadt dahin siecht. Einzig die Erin­nerung an Bet­sy, die im fer­nen Nor­we­gen auf ihn zu warten scheint, gibt ihm Kraft. Als er dann auch noch in ein­er Düs­sel­dor­fer Kün­st­ler­gruppe aufgenom­men wird, scheint das Glück per­fekt. Doch dann ver­liebt sich sein bester Fre­und Hans eben­falls in Bet­sy und die Fre­und­schaft scheint zu zer­brechen. Die Autorin Mar­i­anne Stor­berg schafft einen fes­sel­nden his­torischen Roman, der auf his­torischen Quellen und wahren Begeben­heit­en beruht — alle Fig­uren haben wirk­lich gelebt.
Mar­i­anne Stor­berg: Bet­sys Brief Osburg Ver­lag 375 Seiten

Maja Lunde — Die Geschichte der Bienen

Drei Hand­lungsstränge aus unter­schiedlichen Epochen führen die His­to­rie der Bienen zu einem kun­stvollen Ganzen: Der Forsch­er William ver­sucht sich 1852 im vik­to­ri­an­is­chen Eng­land mit sein­er Tochter an einem inno­v­a­tiv­en Bienen­stock-Patent. Der Farmer George glaubt 2007 an die Expan­sion sein­er Bienen­zucht und 2098 sind die Bienen weltweit längst ausgestorben.
Maja Lunde, Jahrgang 1975 und Mut­ter dreier Söhne, wün­scht sich für nach­fol­gende Gen­er­a­tio­nen eine lebenswerte Umwelt, ihre Botschaft ist klar. Das Bienen­ster­ben ist allerd­ings kein zukün­ftiges Schreck­ensszenario, son­dern durch Monokul­tur, Schädlings­be­fall und Insek­tizide längst Real­ität. Ihr Buch ist aber nicht allein ein ein­dringlich­er und gut les­bar­er Ökokri­mi, ein weit­eres The­ma ist ihr wichtig: die wech­sel­seit­i­gen Verbindun­gen zwis­chen Eltern und Kindern. Jed­er ihrer Plots inter­pretiert eine neue schwierige Eltern- und Kind­beziehung um Erwartun­gen, Hoff­nun­gen und Ver­luste. Und am Ende des Buch­es schließt sich der Kreis und die Verbindung der drei unter­schiedlichen Charak­ter untere­inan­der wird klar. Der Roman wurde 2015 zu Recht mit dem Nor­wegis­chen Buch­händler­preis ausgezeichnet!
Maja LundeDie Geschichte der Bienen, btb, 512 Seiten

Maren Kandre — Aliide, Aliide

In dem Roman Ali­ide, Ali­ide von der schwedis­chen Schrift­stel­lerin Mare Kan­dre, die 2005 im Alter von 42 Jahren ver­starb, geht es um die innere Zer­ris­senheit der achtjähri­gen Pro­tag­o­nistin Ali­ide. Das Leben ist ihr fremd, die Erwach­se­nen begeg­nen ihr ver­schlossen und ihr eigen­er Kör­p­er erscheint ihr mit der Zeit fremd und abstoßend.
Dass Kind­sein nicht immer leicht ist, ist nichts Neues. Wie Kan­dre die Qualen des Mäd­chens radikal und kräftig beschreibt, ist mitunter ver­störend und den­noch außergewöhnlich.
Maren Kan­dre: Ali­ide, Allide. Sep­time Ver­lag, 395 Seiten

Sybil Gräfin Schönfeldt — Erinnerungen an eine Jahrhundertfrau

Eine weit­ere Biogra­phie über Atsrid Lind­gren. “War das nötig?”, kann man sich fra­gen. Schließlich gibt es doch schon so viele Büch­er über die Autorin; kurze, lange, gute, schlechte. Das dünne Bänd­chen von Sybil Gräfin Schön­feldt fördert zwar auch nichts Neues zu Tage, aber “Erin­nerun­gen an eine Jahrhun­dert­frau” ist trotz­dem lesenswert. Schön­feldt war näm­lich nicht nur Jour­nal­istin, Kun­sthis­torik­erin und Ger­man­istin, son­dern auch gute Fre­undin von Astrid Lind­gren. In weni­gen Worten erzählt sie die Lebens­geschichte der beliebten Autorin und zeich­net ein starkes Por­trait. Beson­ders span­nend lesen sich die Kapi­tel über Astrids erste Jahre im Ver­lag und die Zeit vor ihrem großen Durch­bruch als inter­na­tionale Kinderbuchautorin.
Sybil Gräfin Schön­feldt: Astrid Lind­gren: Erin­nerun­gen an eine Jahrhun­dert­frau, Ebers­bach & Simon

Liv Strömquist — Die Kulturgeschichte der Vulva

So all­ge­gen­wär­tig nack­te Haut heutzu­tage auch sein mag, die primären Geschlecht­sor­gane sind es nicht, vor allem nicht die weib­lichen. Die Vul­va hat­te und hat in unser­er Gesellschaft keinen guten Stel­len­wert; sie soll unsicht­bar sein, Scham­lip­pen klein und anständig. Diesem Kurio­sum ent­ge­gen­zuwirken, hat sich die schwedis­che Comicze­ich­ner­in und Radiomod­er­a­torin Liv Strömquist zur Auf­gabe gemacht. “Der Ursprung der Welt” heißt ihr erstes Buch, indem sie zunächst die Kul­turgeschichte der weib­lichen Geschlecht­sor­gane aufzeigt und erk­lärt, warum der Unter­schied zwis­chen Vul­va und Vagi­na nicht zu ver­nach­läs­si­gen ist und dass unsere Verklemmtheit, über The­men wie weib­liche Sex­u­al­ität und Men­stru­a­tion zu sprechen, einen Hin­ter­grund hat. Mit ihren char­man­ten Zeich­nun­gen illus­tri­ert sie von der Antike bis zur Gegen­wart und lässt dabei keine anatomis­che Kor­rek­theit aus. Außer­dem nutzt sie Col­la­gen, Fotos und antike Zeich­nun­gen und unter­mauert ihre Behaup­tun­gen mit genauen Quellenangaben.
Liv Strömquist: Der Ursprung der Welt, Avant-Verlag

Hanne Ørstavik — Liebe

Es ist der Abend vor Jons neun­tem Geburt­stag, auf den er große Hoff­nun­gen set­zt: Er erwartet Kuchen und eine Mod­elleisen­bahn. Vibeke möchte, dass ihr Sohn glück­lich ist und wird sich­er ver­suchen, seine Wün­sche zu erfüllen. Allerd­ings geht sie abends noch ein­mal aus und trifft einen reizvollen Mann, während Jon eben­falls durch die dun­kle ver­schneite Win­ter­land­schaft stapft und Mäd­chen kennenlernt.
“Liebe”, mit seinen 126 Seit­en eine Prosa-Miniatur, ist zum Niederknien gut kon­stru­iert, sprach­lich bril­lant und dabei noch so ein gemeines Buch, dass es das Kopfki­no schaud­ern lässt.
Hanne Ørstavik: Liebe, Karl Rauch Verlag

Selma Lagerlöf — Die Erinnerungen

Sel­ma Lager­löf hat viele ihrer Werke als Entwick­lungsro­man oder Sinnsuche angelegt, in ein­er värm­lan­dis­chen Szener­ie, die deren Natur und Mythen auf­greift und zugle­ich mit der dort leben­den Gesellschaft verbindet. Dass sie Kind­heit und Jugend wie einige ihrer Pro­tag­o­nis­ten ver­bracht hat, was sie geprägt und wie sie sich entwick­elt hat, erschließt sich jet­zt durch die Veröf­fentlichung ihrer dre­it­eili­gen „Erin­nerun­gen“. Diese sind nicht ein­fach Abdrucke irgendwelch­er Tage­büch­er, wenn auch Teil 3 so präsen­tiert wird, son­dern bel­letris­tis­che Raf­fi­nesse, Teil ihres Spätwerks und Schlüs­sel zu ihrem ganzen Oeuvre.
Sel­ma Lager­löf: Die Erin­nerun­gen, Urachhaus

Astrid Lindgren — Die Menschheit hat den Verstand verloren (Krigsdagböcker 1939–1945. )

Dass Astrid Lind­gren neben Kinder­lit­er­atur auch lei­den­schaftlich Tage­buch und Briefe schrieb, wis­sen wohl nur die Wenig­sten. Am Tag, als der zweite Weltkrieg begann, fing sie an ihre soge­nan­nten “Kriegstage­büch­er” zu schreiben. Die Büch­er starten mit dem ein­fachen Satz: “Oh. Heute hat der Krieg begonnen.” Ernst, iro­nisch, ängstlich, mit unter humoris­tisch berichtet Lind­gren in ihren Tage­büch­ern vom Stock­holmer All­t­ag im neu­tralen Schwe­den, ihrer Fam­i­lie, den Geschehnis­sen in anderen Län­dern und den Auss­chre­itun­gen des Krieges. Für eine spätere Veröf­fentlichung waren die Tage­büch­er eigentlich nicht geschrieben, Lind­gren war noch lange keine Schrift­stel­lerin. Beim Lesen wird jedoch schnell klar, warum Lind­gren später so erfol­gre­ich wurde. Ihre sprach­liche Gewandtheit ist erstaunlich, ihre eigene immer leicht iro­nis­che Sprache, die den Text sofort als den ihren kennzeichnet.
Astrid Lind­gren: Die Men­schheit hat den Ver­stand ver­loren, Ull­stein Verlag