Unschwedische Scheinliteratur”

Über diesen Roman zu schreiben, gestal­tet sich schwierig, ist er doch ein raf­finiertes Kon­strukt der Täuschung, über das man nicht zu viel ver­rat­en will. Schon bei der Angabe des oder der Ver­fass­er tappt man entwed­er in eine Falle oder offen­bart ein Teil des lit­er­arischen Spiels. Doch zunächst zur Handlung:

Am fün­ften Sep­tem­ber erhält der Schrift­steller Max Schmel­ing einen Brief in einem Brief seines Verlags.“

Mit diesem Brief in einem Brief begin­nt die dop­pel- oder gar mehrbödi­ge Erzäh­lung. Absender ist Max’ ehe­ma­liger Schulka­m­er­ad Tibor Schit­tkows­ki, der von ihm einen Gefall­en ein­fordert, da er Max in der Jugend zweimal das Leben ret­tete. Tibor liegt im Ster­ben und bit­tet Max um Hil­fe bei der Regelung ein­er let­zten Angele­gen­heit. Obwohl die bei­den keine Fre­und­schaft verbindet und Max’ Wider­willen nicht größer sein kön­nte, gibt es Tibors Bitte nach. Doch worin der Gefall­en genau beste­ht erfahren Max und die Leser erst nach Tibors schriftlichen Bericht über sein Leben. Gle­icher­maßen ahnungs­los wer­den Max Schmel­ing und die Leser in eine Intrige ver­wick­elt, bei der am Ende nichts so ist, wie es am Anfang schien.

I like to believe I am based on a true story“

(Dem Roman vor­angestelltes Zitat von Box­er Archie Moore.)

Der deutsche btb-Ver­lag gibt Håkan Ness­er und Paula Polan­s­ki als Autoren des Buch­es an. Paula Polan­s­ki sei „das Pseu­do­nym ein­er deutschen Pub­lizistin, die dieses Buch gemein­sam mit Håkan Ness­er ver­fasst hat. Warum sie lieber anonym bleiben möchte, erschließt sich aus der Lek­türe des Romans“, so die (Des-)Information des Verlags.

In Schwe­den erschien „Strafe“ schon 2014 und wurde zuvor vom Bon­nier-Ver­lag als „unschwedis­che Schein­lit­er­atur“ angekündigt. Als alleinige Autorin wurde dort Paula Polan­s­ki genan­nt, deren Buch von Håkan Ness­er ins Schwedis­che über­set­zt wurde. Aus welch­er Sprache blieb zunächst offen, doch auch dieser Roman spielt in Nessers namen­losen, fik­tiv nieder­ländisch-nordeu­ropäis­chen Land.

 

Wer hin­ter dem Autoren-Pseu­do­nym Paula Polan­s­ki ste­ht, dürfte klar sein. Doch welche Rolle sie spielt und wer eigentlich welche Geschichte erzählt und wer von wem zum Bestandteil sein­er Geschichte gemacht wird, noch lange nicht. Zwis­chen­durch fühlt man sich als Leser fast wie in einem Spiegelk­a­bi­nett, in dem man die Reflex­ion nicht mehr von der Wirk­lichkeit unter­schei­den kann und in dem sich schein­bare Wege auf­tun, die doch nur Irrwege sind.

Strafe“ bietet viel Lesev­ergnü­gen – und zwar nicht unbe­d­ingt mit der eigentlichen Hand­lung, son­dern vielmehr durch Nessers Spiel mit dem Leser, mit Autoren­schaft, mit Real­ität und Fik­tion. „ich habe mir immer einge­bildet, dass eine ganze Menge von dem, was uns die Schrift­steller auftis­chen, ein biss­chen arg kon­stru­iert ist,“ so Tibor Schit­tkows­ki in seinem Bericht über sein Leben.

Es scheint fast so als wolle Ness­er mit diesem Buch ein für alle Mal beweisen wie unzulänglich das Schwe­denkri­mi-Etikett für ihn ist. Wie schon in früheren Roma­nen blitzt ein Vergnü­gen durch die Zeilen, den Leser zu ver­wirren und zu täuschen, kun­stvolle lit­er­arische Anspielun­gen einzubauen und falsche Fährten zu legen.

Der Roman enthält noch so viel mehr und man kön­nte noch so viel mehr darüber schreiben. Etwa über die schw­er zu leug­nen­den Par­al­le­len zwis­chen Håkan Ness­er und Max Schmel­ing – dem Pro­tag­o­nis­ten in „Strafe“, nicht dem Box­er – obwohl Ness­er selb­st biografisch Lit­er­atur­deu­tun­gen für über­schätzt hält oder auf welche Weise Ness­er und seine Lit­er­atur son­st noch mit diesem Roman ver­woben sind. Doch mehr sei an dieser Stelle nicht über dieses Werk „unschwedis­ch­er Schein­lit­er­atur“ verraten.

Info
Håkan Ness­er und Paula Polanski
“Strafe”
Aus dem Schwedis­chen von Paul Berf 
btb-Ver­lag
Erschei­n­ungs­jahr: 2015
288 Seiten

Lest hier auch unser Inter­view mit Håkan Ness­er: “Ein Tag in Berlin”

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