Asphaltengel

Screen Shot 2014-09-20 at 12.43.43Asphal­tengel“ ist ein schw­er greif­bar­er Roman. Er ist fes­sel­nd, gut geschrieben und schw­er aus der Hand zu leg­en. Er erzählt die Geschichte von den Schwest­ern Leila und Sami­ra, die ihr Leben in sich abwech­sel­nden Kapiteln erzählen. Ihre Mut­ter ist eine zum Islam kon­vertierte Finn­land­schwedin, die ihr Leben extrem ortho­dox führt. Ihr Vater  ist ein aus Nordafri­ka stam­mender Mus­lim. Ihre Groß­mut­ter ist Athe­istin und emanzip­ierte Finnin. In der Schule wird Leila Negerin geschimpft, zu Hause echauffiert sich ihre Mut­ter über deren zu finnis­ches Betra­gen. Sami­ra ent­flieht dem religiösen Eltern­haus, nur um kurze Zeit später selb­st ein Kopf­tuch zu tra­gen. Vor diesem Hin­ter­grund beschreibt die Autorin Johan­na Holm­ström die sozialen und kul­turellen Kon­flik­te, mit denen Leila und Sami­ra täglich zu kämpfen haben.
Der Roman enthält allerd­ings genug Stoff, um mehrere Büch­er zu füllen. So han­delt er ein­er­seits von religiösem Extrem­is­mus und Kon­flik­t­la­gen in ein­er christlichen Gesellschaft. Es geht um haram und hal­lal, die wahren Worte des Propheten und um Mäd­chen, die wie Vieh an den Höch­st­bi­etenden ver­schachert wer­den. Ein anderes The­ma in „Asphal­tengel“ ist dage­gen der alltägliche Grup­pen­zwang und die damit ein­herge­hende Gewalt an Leilas Schule. Das Spek­trum der Gemein­heit­en reicht von sub­tilem Mob­bing bis zu Dro­hun­gen und psy­chis­ch­er oder physis­ch­er Gewalt, wobei die Aus­lös­er ganz unter­schiedlich sind. Leila wird gemobbt, weil sie schwarz ist, Anna weil sie Schlab­ber­ho­sen trägt und Leena besitzt ganz ein­fach die falsche Miu-Miu-Tasche. Die Schüler sind Oppor­tunis­ten und die Lehrer kon­flik­tscheu. Außer­dem geht es um die sex­uelle Objek­ti­fizierung und die (Selbst-)Darstellung der Frau in der Gesellschaft. Beson­ders Sami­ra philoso­phiert gern über Unter­schiede und Gemein­samkeit­en der Reli­gio­nen und die Rolle der Frau darin als allzeit ver­füg­bares Sexob­jekt. Leila dage­gen ste­ht mit­ten in der Pubertät und kämpft mit dem Erwach­sen­wer­den und dem Erwachen ihrer Sexualität.

urheber3817

Foto: Riika Hurri

Asphal­tengel“ ist also ein sehr kom­plex­er, schwarzhu­moriger Roman, der an der Tol­er­anz­gren­ze der Leser kratzt. In eiskalten Milieustu­di­en rech­net Holm­ström mit Klis­chees, Kon­formis­ten und Mitläufern ab und stürzt sich mutig in die gegen­wär­tige Debat­te um Reli­gion, Ras­sis­mus und Unter­drück­ung. Gekon­nt hält sie neben­bei jun­gen Mäd­chen den Spiegel vor, die die Emanzi­pa­tion­sre­sul­tate ihrer Müt­ter und Großmüt­ter zu ver­spie­len dro­hen, indem sie sich nur noch über ihr Ausse­hen definieren. Und trotz des beschriebe­nen Frem­den­has­s­es und Extrem­is­mus, der Intol­er­anz und der Gewalt, hat der Roman etwas Tröstlich­es. Let­z­tendlich geht es näm­lich darum aus vorge­fer­tigten Mustern auszubrechen und ein selb­st­bes­timmtes Indi­vidu­um zu wer­den. Glück­lich zu sein und frei.

Info:
Autorin: Johan­na Holmström
Titel: Asphal­tengel (schwed. Asfaltänglar)
Erschei­n­ungs­jahr: 2014
Ull­stein, 400 Seiten

1 Kommentare

  1. Pingback: Finnland. Cool. - Besser Nord als nie!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.