Ein halbes Jahr im Nördlichen Eismeer

Foto Pål Ranheim

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Bis in die 1920er Jahre wurde die vulka­nis­che Insel Jan Mayen nur spo­radisch von Walfängern, Fuch­sjägern und Polar­forsch­ern besucht. Erst nach einem Gesetz vom 1930 wurde sie ein Teil vom Kön­i­gre­ich Nor­we­gen. Einen Ver­di­enst daran soll das Mete­o­rol­o­gis­che Insti­tut haben, das dort 1921 die erste mete­o­rol­o­gis­che Sta­tion gebaut hat. Bis auf eine kurze Unter­brechung während des Zweit­en Weltkrieges erstellt es dort sei­ther Berichte über die Wet­ter­lage im Nördlichen Eis­meer. Seit 1959 ist auch das Nor­wegis­che Mil­itär auf der Insel präsent. Bei­de Insti­tu­tio­nen entsenden ihre Mitar­beit­er für ein halbes bis ein Jahr auf die Insel. Auf den 71. Grad nördlich­er Bre­ite, 600km nördlich von Island und 950km west­lich von Nor­we­gen, auf eine 377km² große Insel mit­ten im Nördlichen Eis­meer. “Ver­rückt!”, dachte ich als mir ein Fre­und erzählte, dass er dort sechs Monate lang als Mete­o­rologe arbeit­en wird. “Benei­denswert!”, dachte ich, nach­dem ich seine Antworten auf die fol­gen­den Fra­gen wenige Tage von sein­er Heim­reise per Mail erhal­ten habe.

Hei Pål,
du wirst Jan Mayen bald ver­lassen, nach­dem du dort ein halbes Jahr gewohnt hast. Freust du dich darauf nach Hause zu kom­men oder kön­ntest du dir vorstellen noch länger zu bleiben?

Ich hat­te ein tolles halbes Jahr auf der Insel. Mit wun­der­bar­er Natur, Men­schen und Erleb­nis­sen. Aber alles hat ein Ende. Und es wird schön sein, nach Hause zu fahren und Fre­unde und Fam­i­lie wieder zu  tre­f­fen. An die Heim­reise habe ich aber eigentlich noch nicht viel gedacht. Ich kön­nte mir gut vorstellen, ein ganzes Jahr hier zu bleiben und den Win­ter auf Jan Mayen zu erleben. Die Zeit­en in denen es möglich war, sind aber lei­der vor­bei. Früher war man hier 12 Monate lang sta­tion­iert und das hat auch gut geklappt. Warum es geän­dert wurde, weiß ich nicht. Höchst­wahrschein­lich, seit nach dem Arbeitss­chutzge­setz für Arbeitsverträge die über sechs Monate gehen, ganz andere Regeln gelten.

Du arbeitest als Mete­o­rologe auf ein­er Insel mit­ten in der Ark­tis. Wie sieht denn dein All­t­ag aus?
Der All­t­ag auf Jan Mayen ist anders als zu Hause, und gle­ichzeit­ig doch ein biss­chen ähn­lich. All­t­ag ist ja All­t­ag. Und ist man auf der Arbeit, dann ist man halt auf der Arbeit. Aber da wir in Schicht­en arbeit­en und nicht täglich von 8 bis 16 Uhr, sind die Wochen­t­age etwas ver­tauscht. Plöt­zlich hat man frei am Dien­stag und Mittwoch, während die Anderen oft ger­ade da arbeit­en. Also muss man imstande sein, sich selb­st beschäfti­gen zu können.
Ich habe meine freien Tage zum Wan­dern in den Bergen und ent­lang der Küste genutzt, habe Filme geschaut, Büch­er gele­sen, lange Kaf­feep­ausen gemacht und mit den Anderen gequatscht, in der Werk­statt gebastelt, trainiert, Musik gehört usw. Alle Aktiv­itäten im Freien sind wet­ter­ab­hängig, also zu pla­nen, dass man näch­ste Woche wan­dern gehen wird, ist unnötig. Auf die langfristige Wet­ter­prog­nose sollte man sich nicht ver­lassen. Wir sagen hier oft, dass sie nur so lange stimmt, bis wir am Mor­gen aufwachen. Da weiß man dann, wie das Wet­ter wirk­lich wird. Man muss ler­nen, den Tag so zu nutzen, wie er ist. Ist das Wet­ter gut und man hat frei, muss man das, wom­it man ger­ade beschäftigt ist, liegen lassen, rauskom­men und den Tag genießen. Wenn man gerne am Com­put­er mit schnellem Inter­net sitzt, sollte man nicht hier­her kom­men. Das Handy hat hier auch keinen Emp­fang. Und ich fand es ganz toll, Urlaub von Tele­fon und Com­put­er zu haben.


Welche (Aus-)Bildung sollte man haben, wenn man sich um einen Job auf Jan Mayen bewirbt?
Wenn es um die Stelle des Mete­o­rolo­gen geht, so reicht im Prinzip ein Abitur, ein Führerschein der Klasse B und ein gutes Führungszeug­nis. Aber meis­tens wer­den Men­schen angestellt, die eine Kom­pe­tenz in der Mete­o­rolo­gie haben. Viele Mete­o­rolo­gen, die ger­ade mit der Aus­bil­dung fer­tig gewor­den sind, entschei­den sich für ein halbes Jahr im Eis­meer, um prak­tis­che Erfahrun­gen zu sammeln.

Oft sind es aber die per­sön­lichen Eigen­schaften ein­er Per­son, die mehr zählen als eine spez­i­fis­che Aus­bil­dung. Außer­dem sollte man ein­fache, prak­tis­che Arbeit an den Gebäu­den und auf dem Gelände meis­tern kön­nen und bere­it sein, Arbeit zu machen, die nicht spez­i­fisch zum Wet­ter­di­enst gehört. Gibt es einen Wasser­rohrbruch und das Wass­er spritzt über­all herum, muss man es ein­fach so gut repari­eren, wie man kann. Einen Klemp­n­er anzu­rufen, so wie man es zu Hause macht, geht ja nicht.

Außer uns Vieren beim Wet­ter­di­enst, hat das Mil­itär eine Sta­tion auf der Insel. Sie sind es, die im Prinzip für das Tech­nis­che und Prak­tis­che der kleinen Gesellschaft sor­gen — Strom und Trinkwass­er pro­duzieren, für die Wartung der Gebäude sor­gen, Wege räu­men und Essen liefern usw. Bei denen sind also auch Elek­trik­er, Maschi­ne­nar­beit­er und Inge­nieure angestellt.

Ist es schwierig, eine Stelle auf Jan Mayen zu bekommen?
Die Stellen beim “Met­ten” [Abkürzung für das Mete­o­rol­o­gis­che Insti­tut] sind beliebt gewor­den vor allem nach­dem der Nor­wegis­che Rund­funk NRK die TV-Serie Bjørnøya gezeigt hat. Soweit ich weiß, gab es über 200 Bewer­ber, als ich mich um die Stelle bewor­ben habe. Ich bin also sehr dankbar dafür, sie bekom­men zu haben.

Muss man eigentlich nor­wegis­ch­er Staats­bürg­er sein, um sich bewer­ben zu dürfen?
Ja, das muss man sein. Ich glaube gele­sen zu haben, dass man min­destens zehn Jahre lang die nor­wegis­che Staat­sange­hörigkeit haben muss, um einen Job auf dem Eis­meer zu bekom­men. Ich weiß aber auch, dass hier eine Schwedin vor ein paar Jahren gear­beit­et hat. Die Zusam­me­nar­beit zwis­chen den skan­di­navis­chen Län­dern ist ja ganz nah, also glaube ich, dass es für Schwe­den und Dänen ein­fach­er ist, als z. B. für Amerikan­er. Wie es mit EU-Bürg­ern im All­ge­meinen ist, weiß ich nicht. Wenn man Lust hat, hier zu arbeit­en, muss man sich ein­fach nur bewer­ben. Es ist einen Ver­such wert. 

Erstellt ihr Wet­ter­vorher­sagen nur für Seeleute oder kann jed­er eure Wet­ter­berichte irgend­wo finden?
Wir senden die Vorher­sage für die hohe See zwei mal in 24 Stun­den über den Küsten­funk raus. Diese kann man auch auf der Seite des Mete­o­rol­o­gis­chen Insti­tuts lesen. Früher wurde die Vorher­sage für ein größeres Küstenge­bi­et aus­ges­trahlt, aber jet­zt gibt es eine dänis­che Wet­ter­sta­tion auf Grön­land, die für die Gebi­ete west­lich von Jan Mayen, also zwis­chen Jan Mayen und Grön­land, zuständig ist.

Wie ist übri­gens das Wet­ter auf der Insel ger­ade jetzt?
Ger­ade jet­zt ist es grau: neblig, hohe Luft­feuchtigkeit, 7,5 Grad Cel­sius und schwach­er Wind. Sehr gewöhn­lich­es Wet­ter im Som­mer und im frühen Herb­st. Wenn der Nebel von der See­seite reinkommt, kann er wochen­lang auf der Insel liegen. Und das passiert auch ger­ade jet­zt. Also hoffe ich auf käl­tere Tage, sodass sich der Nebel hebt und wir besseres Wet­ter bekom­men. Mor­gen ist Sonne und wenig Wind gemeldet, also wollen wir zu dritt zum Høy­ber­god­den — Nor­we­gens west­lich­stem Punkt — wan­dern. Es wird jet­zt schon früher dunkel, also sehen wir auf dem Heimweg vielle­icht sog­ar Nordlichter. Ich glaube, dass es ein schön­er Tag wird. Wir hat­ten übri­gens einen ganz tollen Som­mer mit wenig Nieder­schlag und viel Sonne im Mai, Juni und Juli.

Am Anfang des Som­mers hat­test du große Bade­pläne gehabt und mir ein Bild in ein­er Bade­hose mit­ten im Eis­meer ver­sprochen. Wie viele Male war die Bade­hose tat­säch­lich an?
Hehe­he, das war ja mehr als Witz gemeint. Aber ja, die Bade­hose war mehrmals an. Im Meer habe ich sie allerd­ings nicht ange­habt. Dort war ich nackt baden. Es ist eine Tra­di­tion, die die Meis­ten ein­hal­ten und dann die Mit­glied­schaft im “Ishavets Nøgen­bade­foren­ing” (Nack­t­bade­v­ere­in des Eis­meers) erhal­ten. Ich habe zusam­men mit vier anderen gebadet. Ich glaube, dass es im April war. Das Wass­er war 1,1 Grad warm und es lag noch Schnee. Es war erfrischend, kann man also sagen. :)

Wir haben aber auch ein Wasser­reser­voir draußen vor der Sta­tion, in dem man baden kann. Das Wass­er im Reser­voir ist zur Not da, falls es einen Brand geben sollte. Außer­dem ist es ein sehr wertgeschätzter Ort, an dem man entspan­nen kann. Der Prozess dahin­ter ist ganz schlau, finde ich. Das Wass­er wird aus dem Meer in eine Wasser­sta­tion gepumpt, wo es entsalzt wird. Dann wird es unter anderem zum Kühlen der drei Gen­er­a­toren benutzt, die Strom für die Insel pro­duzieren. Danach wird es durch das Reser­voir wieder zurück ins Meer geführt. Ein toller lokaler Wasserkreis­lauf. Beim Kühlen der Gen­er­a­toren erwärmt sich das Wass­er auf ca. 36–39 Grad Cel­sius, auf eine per­fek­te Bade­tem­per­atur also. Es ist super toll in diesem Wass­er zu sitzen, auch bei Schneesturm und Minus­graden. Es ist wie ein kün­stlich­er “Hot Spring”, etwas was man vielle­icht aus Island ken­nt. Ein Kreis­lauf, bei dem wir den Wärmeüber­schuss zum per­sön­lichen Wohlbefind­en nutzen können. 

Es ist bekan­nt, dass Ver­schmutzung ein großes ökol­o­gis­ches Prob­lem im Nördlichen Eis­meer ist. Ist es auch auf Jan Mayen so?
Ja, sehr viel Abfall erre­icht auch hier die Küste, so wie über­all in den Küstenge­bi­eten. Es ist unglaublich, was man auf den Strän­den find­et. Alles von Sham­pooflaschen, Kun­st­stof­fkanis­tern, Sports­chuhen, Seilen, Fis­chk­isten, Wein­flaschen, Net­zen… Ich habe noch keine Flaschen­post gefun­den, obwohl ich in alle Flaschen geguckt habe, die ich fand. Ohne Erfolg.

Es liegen hier auch viele alte Fass­deck­el und viel Treib­holz — vor allem Kiefer und Sibirische Lärche, die von den Meer­esströ­mungen hier­her gebracht wird. Das Treib­holz wird höchst­wahrschein­lich beim Trans­port von den Schif­f­en ver­loren, die auf dem Weißen Meer in Rus­s­land segeln, oder kommt über Flüsse ins Weiße Meer. Einige von den Stäm­men sind sehr mas­siv, und beim Zählen der Jahres­ringe stellt man oft fest, dass sie mehrere Hun­derte von Jahren alt sind.

Küm­mert sich das Mil­itär oder das Mete­o­rol­o­gis­che Insti­tut um die Abfallentsorgung?
Ja, wir haben ein paar mal einige Strände sauber gemacht, aber das ist frei­willig. Der Abfall wird in Säcke gesam­melt und ein­mal pro Jahr mit Schif­f­en zum Fes­t­land geschickt. Nach Absprache mit dem Nor­wegis­chen Umwelt­di­rek­torat bekom­men wir eine kleine Summe Geld für jeden Sack, den wir füllen. Das Geld geht an den “Hob­byk­lub” und wir benutzten es, um Sportaus­rüs­tung, Ski, Musikin­stru­mente u. Ä. zu kaufen, die alle nutzen kön­nen. Ich glaube, dass wir im Laufe des let­zten hal­ben Jahres ca. vier Kubik­me­ter, eine halbe Tonne, gesam­melt haben. 


Im Laufe des Som­mers hat­tet ihr auch Besuch­er — zum Beispiel von Kreuz­fahrtschif­f­en. Dür­fen die Pas­sagiere ans Land kommen?
Ja, es kom­men einige Kreuz­fahrtschiffe, außer­dem auch einzelne Forschungs­boote und kleinere, pri­vate Segel­boote. Alle Gäste müssen ihre Ankun­ft im Voraus anmelden und dür­fen sich max­i­mal 24 Stun­den auf der Insel aufhal­ten. Sie müssen eine eigene  Ausstat­tung zum Über­nacht­en dabei haben. Es gibt nur einen Ort auf der Insel an dem sie zel­ten dür­fen. In eini­gen Fällen kann man eine Aufen­thalt­ser­laub­nis, die bis zu zu ein­er Woche lang gültig ist, bekom­men. Diese wird weit­ge­hend nur für tech­nis­ches Per­son­al, Forsch­er und Men­schen mit Verbindung zu Kul­tur­denkmälern auf der Insel aus­gestellt. Zum Beispiel war ein Nieder­län­der, von der Nieder­ländis­chen Marine, für eine Woche hier, um ein Denkmal auf den Gräbern von nieder­ländis­chen Walfängern zu ren­ovieren, die hier im 17. Jahrhun­dert umgekom­men sind.

Große Teile der Insel ste­hen unter Schutz, also gibt es strenge Regeln, wenn man das Land betreten will. Bricht man die Vorschriften, wartet eine hohe Geld­strafe. Der Sta­tion­schef hat Polizeibefug­nis und darf nach dem Gesetz Geld­strafen erteilen, was auch schon passiert ist.

Bekom­men die Touris­ten Führun­gen auf der Insel?
Alle Kreuz­fahrtschiffe haben eigene Expe­di­tion­steams, die das Anle­gen und die Führun­gen selb­st übernehmen. Es gibt auf der Insel keinen Kai, also müssen alle mit Ten­der­booten ans Land gebracht wer­den. Dies ist auf Grund der Meeres­be­we­gun­gen oft nicht ein­fach. Ein Paar Schiffe sind nur vor­beige­fahren, da sie es nicht für sich­er hiel­ten, an Land zu gehen.

Wir nehmen nur dann Schiffe ent­ge­gen, wenn wir die Sicher­heit für alle, die ans Land kom­men, garantieren kön­nen. Der Sta­tion­schef entschei­det fort­laufend darüber.

Natür­lich möcht­en wir gast­fre­undlich und für die Gäste zugänglich sein. Aber wir haben auch unsere Arbeit, um die wir uns küm­mern müssen und haben daher nicht viel Möglichkeit zu umfassenden Führun­gen. Die Gäste dür­fen Teile der Sta­tion besuchen und sich auf dem Sta­tion­s­gelände umschauen, in unserem kleinen Laden einkaufen und bekom­men einen Stem­pel in den Pass, wenn sie es möcht­en. Immer wenn ich die Gele­gen­heit hat­te, habe ich mit den Gästen ein biss­chen gesprochen, ihnen von der Insel und der Sta­tion erzählt. 

Aus welchen Län­dern kom­men all diese Schiffe?
Von den Kreuz­fahrtschif­f­en war es eine nieder­ländis­che Reed­erei, die mit zwei Expe­di­tio­nen kam, ein japanis­ches Schiff, auf dem der Alters­durch­schnitt der Pas­sagiere 85 Jahre war, die Fram von den nor­wegis­chen Hur­tigruten war auch ein Mal hier und dazu noch ein Boot von Nation­al Geographic.

Das let­zte nieder­ländis­che Schiff kam im Juni. Wir wur­den an Bord ein­ge­laden als die meis­ten Touris­ten an Land waren. Wir sind dann um den Nord-Jan gesegelt und sind auf der anderen Seite der Insel wieder ans Land gekom­men. Das war sehr ein­drucksvoll. Wir haben auch etwas Gemüse und Obst geschenkt bekom­men, was sehr her­zlich ent­ge­gengenom­men wurde.

Wie ist es mit per­sön­lichen Besuch­ern — Fam­i­lie und Fre­un­den? Es ist wohl nicht so ein­fach, Besuch zu bekom­men oder kurz mal heim zu fahren?
Nein, es ist nicht so ein­fach. Die Lan­de­bahn ist nur ein paar Monate im Jahr geöffnet. Der Grund dafür ist nass­er Sand und viel Ober­flächen­wass­er nach dem Win­ter. Es ist auch weit nach Nor­we­gen, ca. drei Stun­den Flugzeit, also muss man die Reise gut pla­nen. Nur Mil­itär­flugzeuge fliegen hier­her. Man kann zwar auch mit Hub­schraubern von Island aus hier­her fliegen, aber da muss man hier vor der Rück­reise nach­tanken. Wir haben ein Treib­stof­flager, jedoch nur für den Not­fall, also bekom­men wir keine Hubschrauberbesuche.

Während ich hier war, gab es zwei Flugzeu­gankün­fte. Es war jet­zt im August und es lag eine Woche zwis­chen ihnen. Ich hat­te das Glück, Tages­be­such von zwei Fre­un­den zu bekom­men. Sie waren für ca. fünf Stun­den hier, bevor sie wieder heim geflo­gen sind.

Außer­dem gibt es immer im März und im Sep­tem­ber Flugzeu­gankün­fte wegen der Kontin­gen­twech­sel und noch eine Flugverbindung an Weihnachten.

In der Peri­ode für die man hier ist, gibt es nur sel­ten Gele­gen­heit in den Urlaub nach Hause zu fliegen. Nur in sehr beson­deren Fällen, wie ern­sthafte Erkrankung naher Ange­höriger, wird eine Son­der­trans­port­möglichkeit organisiert. 

Wie viele Men­schen leben ins­ge­samt auf der Insel?
Wir sind hier 18 Men­schen, die eng nebeneinan­der leben — in guten und schlecht­en Zeit­en, meist in den Guten. Wir essen Früh­stück, Mit­tag- und Aben­dessen jeden Tag zum gle­ichen Zeit­punkt, wir arbeit­en zusam­men, wir sehen einan­der die ganze Zeit…

Wenn man sich eure Seite anschaut und dort den kleinen Blog liest, sieht man gle­ich, dass ihr sehr sozial seid und viel Spaß zusam­men habt: es gab Geburt­stags­feiern, ein 17. Mai Fest usw. Hat man über­haupt Zeit für sich selbst?
Gute Frage, auf die ich ja und nein antworten würde. Wenn man sich auf der Insel wohl fühlen soll, ist es wichtig, gut allein zurecht zu kom­men, aber im sel­ben Grad muss man gut mit anderen Men­schen zusam­men­leben kön­nen. Man muss zum Gemein­schaft­sleben und zum Zusam­men­halt beitra­gen. Und ger­ade das macht ja Spaß. Wenn man ins Eis­meer möchte, um in Ruhe gelassen zu wer­den und isoliert von anderen zu leben, hat man eine falsche Vorstel­lung von dem Leben hier und sollte noch ein­mal drüber nach­denken, warum und ob man hier­her kom­men möchte. Eine Per­son, die sich von den anderen abgren­zt, kann es für die ganze Gruppe kaputtmachen und wird nur sel­ten angestellt. Wenn man im Kof­fer per­sön­liche Prob­leme mit­bringt, wer­den sie hier zehn mal größer. Alles wird sicht­bar. Ist man zu Hause etwas trüb­sin­nig, kann man sich sich­er sein, dass es durch den Aufen­thalt hier nicht bess­er wird. Ich glaube, dass ein geord­neter Sinn und eine sta­bile Gefühlslage nötig sind, damit man hier eine schöne Zeit hat.

Die Gruppe wird zu ein­er Art großen Fam­i­lie. Und wie die meis­ten sicher­lich wis­sen, kön­nen Fam­i­lien­aben­dessen mal sehr schön sein und mal nicht so viel Spaß machen.  So ist es ein­fach. Eigentlich denke ich über sowas aber sel­ten nach und sehe in dieser Hin­sicht kein Prob­lem. Die Tage sind in der Regel gefüllt mit viel Lachen und Freude. Ich habe hier wun­der­bare Men­schen ken­nen­gel­ernt und an manche Augen­blicke mit ihnen werde ich mich für immer erinnern.

Und natür­lich ist es möglich, alleine zu sein. Jed­er von uns hat eine kleine Woh­nung, in die man sich zurückziehen kann. Es ist hier nicht so wie auf dem Fes­t­land, wo man sich zwis­chen ver­schiede­nen Sozialkreisen frei bewe­gen, halb­nackt in der Woh­nung rum­laufen und laut Musik hören kann. Es ist eher wie in einem Stu­den­ten­wohn­heim zu wohnen.

Man kann auch alleine wan­dern gehen. Es gibt einige Wan­der­hüt­ten, alte Jäger­hüt­ten und Forschungssta­tio­nen, die wir nutzen dür­fen. Einige sind leichter zu erre­ichen als andere und wenn man wirk­lich alleine sein möchte, kann man für ein paar Tage zu ein­er von den ganz unzugänglichen gehen. Einige haben Platz für nur einen Über­nach­tungs­gast. Und es sind einige Dutzend Kilo­me­ter bis zum näch­sten Nachbarn. 

Was war das Toll­ste, das du auf Jan Mayen erlebt hast?
Es gibt so viel. Mein Traum war es, auf den Beeren­berg hochzuk­let­tern, einen Vulkan, der 2.277 Meter in die Höhe ragt. Die Wan­derung dahin ste­ht als Höhep­unkt ganz vorn. Es ist eine fan­tastis­che Tour, bei der man die meiste Zeit einen Gletsch­er mit vie­len Spal­ten und Schlucht­en hoch läuft und eine wun­der­bare Aus­sicht genießt. “Die läng­ste Stei­gung Nor­we­gens”, wird der genan­nt. Man begin­nt auf Meere­sebene und geht nur hoch. Wir sind ins­ge­samt 18,5 Stun­den lang gelaufen, im strahlen­den Son­nen­schein über 400 Meter Höhe. Unvergesslich!

Und den Über­gang vom Win­ter zum Früh­ling zum Som­mer und zum Herb­st hier in der Ark­tis erleben zu kön­nen, ist magisch. Die Insel bekommt jeden Som­mer ein neues Leben mit allen Vögeln die hier­her kom­men, um zu nis­ten, Walen, die direkt vor der Küste jagen, und Far­bkon­trasten in der Natur. Aus ein­er stillen, windi­gen und unfrucht­baren Insel, nur mit Schnee, Eis und schwarzen Lavasteinen bedeckt, wird plöt­zlich ein Ort voll wim­mel­n­dem Leben, mit vie­len neuen Geräuschen und Far­ben. Es gibt hier keine Bäume, aber sehr viel dick­es Moos, in dem ich sehr gerne liege und dabei die Wolken­fig­uren beobachte. Wenn es an einem Tag nass ist und danach das Wet­ter gut ist, wird das Moos irre grün und fast selb­stleuch­t­end. Ganz unglaublich. Kleine Freuden, aber sie sind unvergesslich.

Nach dein­er Erfahrung von den let­zten sechs Monat­en — was sind die fünf wichtig­sten Sachen, die man dabei haben muss, wenn man auf ein­er öden (ark­tis­chen) Insel strandet?
Erfind­ungs­gabe, gute Laune und sehr viel Freigiebigkeit den anderen Men­schen gegenüber. Dazu auch noch warme Klei­dung und außergewöhn­lich gute Schuhe. Die vulka­nis­chen Steine sind scharf wie Mess­er und das Schuh­w­erk nutzt sich schnell ab.

Du hat­test also eine wun­der­bare Zeit, hättest auch Lust den Win­ter auf der Insel zu erleben — heißt es vielle­icht, dass du dich nochmal auf den Job bewer­ben wirst, um zurück zu kommen?
Ich hoffe, dass ich ein­mal zurück kom­men werde. Es ist ja so schön hier zu sein. Aber ich glaube, dass das Klüg­ste, was man hierzu sagen kann, wäre, dass ich es am besten wis­sen werde, wenn ich von dem Ganzen etwas Abstand bekom­men habe. Ger­ade jet­zt befinde ich mich immer noch in ein­er Blase.

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