East of the Sun — die Galerie am Nordkap

Weit im hohen Nor­den, auf dem 71. Bre­it­en­grad Nord, nur wenige Kilo­me­ter vom Nord­kap ent­fer­nt, in einem kleinen nor­wegis­chen Dorf würde man wohl außer ein paar ein­heimis­chen Fis­ch­er kaum andere Ein­wohn­er erwarten. Doch vor 17 Jahren hat sich die Nürn­berg­erin Eva Schmut­ter­er entschlossen, nach Kamøyvær zu ziehen und hier ein neues Leben anz­u­fan­gen. Der Grund war sim­pel — sie hat­te sich in einen Wei­h­nachts­mann ver­liebt. Mit­tler­weile lebt sie immer noch im sel­ben Ort und betreibt erfol­gre­ich die eigene Galerie “East of the Sun”.
Wir haben Eva in ihrer Werk­statt in Kamøyvær besucht und haben uns viel von dem Leben ein­er Kün­st­lerin in einem Fis­cher­dorf im hohen Nor­den erzählen lassen.


Eva, wie bist du in Nord-Nor­we­gen gelandet? Und wie war das mit dem Weihnachtsmann?

Ich habe in Nürn­berg in ein­er Kinder- und Jugen­dein­rich­tung gear­beit­et. Dort haben wir jedes Jahr eine Vor­wei­h­nachts­feier mit einem Wei­h­nachts­mann organ­isiert. Und es war immer ein Prob­lem, einen Wei­h­nachts­mann zu find­en, den die Kinder nicht kan­nten. In dem einen Jahr sagte meine Kol­le­gin: «Dieses Jahr kommt mein Brud­er aus Nor­we­gen. Den frag ich mal, ob er nicht den Wei­h­nachts­mann im Spiel­haus macht.» Und dann komme ich eines Vor­mit­tags ins Spiel­haus, da stand ein Mann in einem Wei­h­nachts­mannkostüm, mit einem lan­gen weißen Wei­h­nachts­mannbart. Und das war der Jür­gen. So haben wir uns ken­nen­gel­ernt. Und Anfang Mai habe ich ihn das erste Mal hier oben besucht.

Wie war es das erste Mal hier? Hat es dir im hohen Nor­den gefallen?
Ich hat­te schon Vorstel­lun­gen. Jür­gen hat­te viel erzählt und mir Bilder geschickt. Ich war dann aber trotz­dem sprach­los. Es war so eine beson­dere Schön­heit, die ich hier gese­hen habe – sie hat mich total ange­sprochen, diese Natur, dieses Licht. Ich war sehr beeindruckt.
Jür­gen kon­nte sich damals nicht vorstellen, nach Deutsch­land zurück­zuge­hen. Ich kon­nte es mir aber ganz gut vorstellen, mal etwas ganz Anderes auszuprobieren.

Wie kamst du auf die Galerie? Wie lange hat es gebraucht?
Als ich hier­her kam, habe ich schon zu Hause gear­beit­et, am Küchen­tisch meine Bilder gemacht und die ersten Büch­er geschrieben. Meine Bilder wur­den erst nur in der Nord­kaphalle und in einem Sou­venir­laden in Hon­ningsvåg verkauft.

Hast du davor denn auch schon gemalt?
Ja, schon, aber natür­lich bloß in mein­er Freizeit. Denn als Kün­st­lerin in Deutsch­land zu leben, kannst du ja vergessen. Und ich habe mir in Deutsch­land immer gesagt: wenn ich nur mehr Zeit dafür hätte… Und dann irgend­wann stand das Haus, in dem die Galerie jet­zt ist, zum Verkauf. Und da meinte mein Mann: das kaufen wir und machen eine Galerie daraus. Ich war total skep­tisch und dachte: «Oh Gott, in Kamøyvær! Eine Galerie!» Es gab natür­lich schon die Idee und den Wun­sch, eine Werk­statt zu haben, aber ich hätte es nicht gemacht. Aber mein Mann ist da irgend­wie mutiger gewe­sen. Wir haben das Haus gekauft und haben es peu à peu umge­baut. Und dann 2004 war die offizielle Eröff­nung von der Galerie. Es ist rel­a­tiv langsam ange­laufen, ist dann aber doch inner­halb von drei — vier Jahren zu einem Betrieb gewor­den, der sich eigentlich selb­st trägt.

Kom­men die meis­ten Besuch­er nur im Som­mer oder verteilt sich das über das ganz Jahr?
Nur im Som­mer. Son­st kommt über­haupt kein Men­sch. Und dann habe ich noch die Busse von den Kreuz­fahrtschif­f­en. Und das sind dann auch manch­mal acht Busse an einem Tag. Die machen eine Tour, während der sie sich zwei malerische Fis­cherdör­fer anzuschauen und in einem gibt es eben auch die Galerie, in die die Leute reinge­hen können.

Eva in ihrer Galerie

Kommen auch wirk­lich Kun­stin­ter­essierte, die nicht vom Dorf sind und ein­fach deine Sachen sehen wollen?
Ganz viele. Es gibt doch rel­a­tiv viele Leute, die sich vor so ein­er Reise über das Inter­net schon informieren, was es so gibt und dabei auch auf die Galerie stoßen und dann gezielt kom­men, um mich zu tre­f­fen und sich meine Arbeit anzuschauen. Es gibt Men­schen, die ganz gezielt mit dem Vor­satz kom­men: «Von der kaufen wir uns ein Orig­i­nal.» Was ich ja immer sehr schön finde.

Und die Ein­heimis­chen? Kom­men die auch her?
Die Ein­heimis­chen gehören prak­tisch zu meinen besten Kun­den. Das ist schön und ich glaube, es gibt nicht viele Häuser hier auf der Insel, wo kein Bild von mir hängt (lacht). Sie kom­men auch im Som­mer mit ihren Gästen, mit dem ganzen Besuch. Da ist die Galerie schon so eine kleine Attrak­tion. Also kann ich mich über­haupt nicht beschw­eren. Es hat aber natür­lich auch damit zu tun, dass die Leute hier auf die Insel so stolz sind und find­en, dass ich die Land­schaft gut präsen­tiere. Wenn ich Bilder machen würde, die düster, kri­tisch, oder ähn­lich wären, gin­ge das wohl nicht so gut. (lacht)

Und was sind die Motive, die am meis­ten oder am lieb­sten von deinen Bildern gekauft wer­den? Nordlichter? Fjord?
Das ist Jahreszeitab­hängig. Das ist total irre! Im Win­ter kaufen die Leute tat­säch­lich die Win­ter­bilder: Nordlicht und Schnee. Und im Som­mer verkaufen sich meine Win­ter­bilder gar nicht beson­ders gut.

Auch nicht die Nordlichter?
Nee, eher bei den Leuten die sagen: «Wir nehmen uns vier Bilder mit, für jede Jahreszeit eins.» Dann ist natür­lich auch ein Nordlicht dabei. Aber diejeni­gen, die sich eins aus­suchen, die wollen sich im Som­mer immer ein Bild mit­nehmen von dem, wie sie es ger­ade sehen. Also Mit­ter­nachtssonne oder grün — auch wenn es grau ist und reg­net wollen sie dann trotz­dem ein Som­mer­bild haben. (lacht)

Und was ich auch total inter­es­sant finde, ist: Es gibt in der Galerie ein paar Best­seller an Motiv­en. Das ist ganz unab­hängig von der Nation­al­ität. Die Leute kön­nen aus Ameri­ka oder aus welchen europäis­chen Län­dern auch immer sein, alle greifen zu den gle­ichen Motiv­en. Es muss also eine Art uni­ver­sales Bild vom Nor­den in den Köpfen der Men­schen geben – und das sind dann die Bilder, die sie kaufen.

Welche sind es?
Das eine heißt „Der ferne Hor­i­zont“, da ste­ht eine Frau, klein, in ein­er weit­en Land­schaft und guckt auf das Meer auf den Hor­i­zont raus. Dann ein anderes, das ist die Kirche in Hon­ningsvåg im Win­ter mit dem Mond und dem blauen Licht. Dann ein Som­mer­bild von der Falke­berg­bucht, das ist ganz typ­isch mit grü­nen Hügeln. Dann ein ganz Blaues, es heißt „Unter dem Mond“, das ist die Zeit, kurz bevor die Polar­nacht anfängt, wenn das Licht hier oft­mals ein ganz ganz tiefes Blau hat – tolles, wun­der­schönes Licht, so eins habe ich vorher auch nie gese­hen. Das Bild wirkt durch das Blau sehr kühl, sehr ark­tisch. Solche Bilder sind sehr gefragt.

Du hast für deine Bilder auch eine eigene Tech­nik entwick­elt — auf Skizzen der Land­schaft kleb­st du buntes Papi­er und somit entste­hen Kol­la­gen mit ein­er beson­deren Tiefe. Kön­ntest du dir aber jet­zt noch vorstellen, mit der gle­ichen Tech­nik irgend­wo im Süden, z. B. in der Toscana zu arbeiten?
Nein. Da müsste ich meine Tech­nik ziem­lich verän­dern. Weil diese Tech­nik wirk­lich für den Nor­den passt. Es sind sehr klare Lin­ien und sehr klare Kon­turen. Da ist nichts Lieblich­es in der Natur und nichts Lieblich­es in meinen Bildern. Und das passt genau zusammen.


Kön­ntest du dir aber vorstellen, das kom­plett neu zu entwick­eln und nochmal wo anders hinzuge­hen oder bist du jet­zt so mit dieser Natur ver­wurzelt und was sie dir an Inspi­ra­tion gibt?

Ganz prinzip­iell kön­nte ich an vie­len Orten in der Welt leben. Es ist nicht so, dass ich denke, es muss hier und da sein. Aber ich glaube nicht, dass ich jet­zt hier weg ziehen würde. Ich find´s toll hier. Ich füh­le mich auch der Insel sehr ver­bun­den. Und wenn ich dann in Rente bin, dann kann ich mir schon vorstellen, ein biss­chen mehr zu reisen. Mal wieder ein Viertel­jahr z. B. in Lon­don zu ver­brin­gen oder in Berlin oder so. Ein­fach mir wieder viel anzuguck­en. Das ja. Aber ich glaube, der Lebens­mit­telpunkt wird schon auf jeden Fall hier sein.

Also bist du jet­zt mit dem Nor­den auch im Reinen? Hast du dich mit ihm angefreundet?
Ja, sehr. Ich glaube, bevor ich mir ihn richtig angeguckt habe, hat­te ich nur Bilder vom Nor­den im Kopf. Und die waren eher, ja, sicher­lich ganz schön, aber kalt und unwirtlich. Von daher bin ich nie hinge­fahren, außer nach Kopen­hagen oder Stock­holm. Und als ich dann hier­her gekom­men bin, war ich über­wältigt – wirk­lich von dieser Schön­heit, die ich empfinde. Es gibt ganz viele Leute, die es natür­lich ganz anders empfind­en. Ganz viele Leute, die zu mir sagen: «Wie kön­nen Sie auf dieser kar­gen, hässlichen Insel leben?» Aber ok, so ist es.

Gibt es etwas, was du richtig toll hier find­est? Was man unbe­d­ingt sehen müsste, wenn man auf die Nord­kap­in­sel Magerøya kommt?
Was ich immer ganz erstaunlich finde ist, du läuf­st 500 Meter von der Straße weg und du bist im Nir­gend­wo. Du bist ganz für dich und hast das Gefühl vor dir ist noch niemals, über­haupt niemals jemand da gewe­sen, der seinen Fuß auf dieses Stück Erde geset­zt hat. Das stimmt natür­lich so nicht, aber du hast das Gefühl. Und das sind Momente, in denen immer eine wirk­lich große Ruhe, ein großer Frieden über mich kommt. Das ist nach wie vor so. Es ist egal, ob ich mit dem Auto nach Hon­ningsvåg fahre oder zu Fuß irgend­wo unter­wegs bin, dass ich mir so oft denke: „Ach Gott, ist es schön!“

Info:
East of the Sun
www.evart.no
Öff­nungszeit­en: 15. Mai – 15. August, 15:00 – 22:00
Adresse: EvArt, Kamøyvær, 9750 Hon­ningsvåg, Norway
Kon­takt: evart@evart.no

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