Lars Mytting: Die Glocke im See

Lars Mytting Die GlockeFoto: Besser Nord als nie!

von Mar­ti­na Sander

Irgend­wo im Gud­brands­dalen um 1789: ein paar Höfe, ein alte Holzkirche und sehr kalte Win­ter. Ger­ade ist die alte Klara Myt­ting während des Gottes­di­en­stes ver­stor­ben. Ihr Gesicht war an der Kirchen­wand so fest­ge­froren, dass die Dör­fler die Tote gewalt­sam los­reißen mussten. Da sieht der Neu-Pfar­rer erste Chan­cen für Inno­va­tio­nen: mit neuen Bestat­tungsmeth­o­d­en möchte er anfan­gen, dann im näch­sten Jahr eine Steinkirche beheizen. Allerd­ings fehlt es an Geld für das neue Gotte­shaus und als er das Ange­bot aus Dres­den bekommt, die alte Stabkirche und deren sagen­hafte Glock­en teuer zu verkaufen, greift er zu; über­führen wird sie ein Architek­turstu­dent nach Dres­den. Und die 19-jährige Astrid Hekne aus Butan­gen, die sich bish­er keine Illu­sio­nen über ihr weit­eres Leben gemacht hat, ste­ht plöt­zlich zwis­chen zwei Män­nern, die keine ein­fälti­gen Gut­ser­ben sind.

Lars Myt­ting ver­mit­telt in „Die Glocke im See“ gle­ich mehrere The­men, die ihm wichtig sind. Es ist ein wun­der­bares Buch voller Sagen, voller Un- und Aber­glauben, mit wun­der­baren Begeben­heit­en im und um das abgeschiedene dör­fliche Leben. Über den Charak­ter der Astrid Hekne wird der Wun­sch nach Auf­bruch, Verän­derung, Neuerung aufge­grif­f­en, der aber für eine Frau des 19. Jahrhun­derts nur uner­füllte Hoff­nung sein kann. Astrid ist intel­li­gent und stark, scheit­ert aber an den Umstän­den. Vor allem liegt aber dem Autor daran, die Zer­störung eines kul­turellen Erbes aufzu­greifen und einzuord­nen. Die tra­di­tionelle Handw­erk­skun­st wird nar­ra­tiv in die Roman­erzäh­lung einge­bun­den und Myt­ting berichtet so liebevoll über Schnitzereien, über Verzierun­gen und deren Sym­bo­l­ik, über wuchtige Holztüren und schmiedeeis­erne Schlöss­er, dass die Leser*innen die alten Stabkirchen vor sich sehen. Der Autor, der schon in dem amüsan­ten Sach­buch „der Mann und das Holz“ sein großes Fach­wis­sen um das Holz aus­ge­bre­it­et hat, drückt hier seine Hochachtung für das­selbe, aber schon behan­delte Mate­r­i­al und deren Kün­stler aus. 

Info
Lars Myt­ting
Die Glocke im See — Roman
Aus dem Nor­wegis­chen von Hin­rich Schmidt-Henkel 
Insel Ver­lag, 482 Seiten