Skandinavische Bücher für den Herbst

Der Heb­st ist da und mit ihm Dunkel­heit, Kuscheldeck­en, Tassen voller Tee und lange Stun­den im Bett mit all den Büch­ern, die im Som­mer auf uns warten mussten. Anbei find­et ihr eine kleine Auswahl der neuen Skan­di­navier, denn schließlich sind die nordis­chen Autoren ja dafür bekan­nt uner­müdlich neue Geschicht­en auf den Buch­markt zu brin­gen. Was kön­nt ihr empfehlen, das in der Liste fehlt?

Lone Thelis — Die Mädchen von der Englandfähre

Im Som­mer 1985 ver­schwinden die dänis­chen Teenag­er Lulu und Lis­beth auf ein­er Fährüber­fahrt nach Eng­land spur­los. Die Suche bleibt erfol­g­los und der Fall gerät in Vergessen­heit. Erst Jahre später fällt der dänis­chen Jour­nal­istin Nora Sand ein altes Foto von Lulu und Lis­beth in die Hände — aufgenom­men nach deren Ver­schwinden. Eine Sto­ry wit­ternd, begin­nt Nora in der Ver­gan­gen­heit zu graben und bringt Grausiges ans Tageslicht!
Lone Theils legt einen Debutro­man vor, der sich in eine ganze Krim­irei­he entwick­eln soll. Ihre Laiener­mit­t­lerin Nora ist eine liebenswürdi­ge Haupt­fig­ur, die sehr real­is­tisch geze­ich­net wurde. Das Buch hat alles, aus einen guten Kri­mi aus­macht und liest sich in einem Rutsch weg.
Lone Theils: Die Mäd­chen von der Eng­land­fähre, Rowohlt Ver­lag, 432 Seit­en, 2017

Katja Kettu — Feuerherz

Ket­tus Feuer­herz läuft zwei­gleisig. Ein­mal lesen wir über Irga, die um 1930 aus Finn­land nach Rus­s­land fliegt; schwanger und nur mit ein paar Skiern aus­ges­tat­tet. 2015 such die Finnin Ver­na in Rus­s­land ihren Vater, nur um ihn tot zu find­en. Auf ihrer Suche nach Antworten, triff sie auf eine mys­ter­iöse alte Frau, die ihr zwar helfen will, aber ein­deutig auch etwas zu ver­ber­gen hat.
Wie schon sein Vorgänger “Wildauge” ist Feuer­herz ein außeror­dentlich­er Roman über zwei Starke Frauen, die sich behaupten müssen. Neben dem poet­is­chen Erzählstil, ist vor allem die  nicht chro­nol­o­gis­che Erzählweise unge­mein fes­sel­nd. Die zwei Zeit­ebe­nen wer­den miteinan­der ver­flocht­en, die Geschicht­en näh­ern sich immer mehr an und bauen so unge­mein den Span­nungs­bo­gen auf. Die behan­delte The­men — sow­jetis­che Straflager, Kom­mu­nis­mus, Putin und Stal­in, Gewalt, Hor­ror und eisige Kälte — wer­den sen­si­bel und nüchtern mit magis­chem Real­is­mus in die Haupt­geschichte der zwei Frauen ver­woben. Ein Buch, das unter die Haut geht!
Kat­ja Ket­tu: Feuer­herz. Ull­stein, 430 Seiten

Joakim Zander — Der Schwimmer; Der Bruder; Der Freund

Neuer Stern am Kri­mi-Him­mel ist der schwedis­che Autor Joakim Zan­der. Er wuchs im Küsten­städtchen Söderköping auf und lebte auch in Syrien, Israel und den USA und arbeit­ete für das Europäis­che Par­la­ment und die Europäis­che Kom­mis­sion in Brüs­sel und Helsin­ki. Der Arbeit dort müde gewor­den, begann er seinen ersten Polit­thriller “Der Schwim­mer” zu schreiben, mit der taffen Klara Walldéen in der Haup­trol­le. Wenig später fol­gten dann die Büch­er “Der Brun­der” und “Der Freund”.
Erfrischend anders konzip­iert Zan­der seine Romane: Keine unglaub­würdi­gen Serienkiller, keine voyeuris­tis­chen Folter- bzw. Verge­wal­ti­gungsszenen oder hoff­nungslose Kom­mis­sare. Stattdessen führt einen der Autor in die fin­stere Welt der Geheim­di­en­ste und der bestech­lichen EU-Poli­tik­er ein. Seine Geschicht­en wirken real­ität­snah und seine Charak­tere sind glaub­würdig und charmant.
Joakim Zan­der: Der Fre­und, Rowohlt Ver­lag, 464 Seit­en, 2017

Neil Gaiman — Nordische Mythen und Sagen

Neil Gaiman will weg von arisch glo­ri­fizierten Sagengestal­ten und erzählt die nordis­chen Mythen deshalb neu. Der britis­che Fan­ta­sy-Autor hat in den alten Sagen, Märchen und Geschicht­en gewühlt und einen neuen Ein­stiegt gewagt. Seine Darstel­lun­gen sind ide­ol­o­gisch befre­it und unbe­fan­gen und Gaiman hält sich strikt an den eigentlichn Kern der Sagen. Seine Erzäl­weise ist dabei alles andere als wis­senschaftlich trock­en, son­dern in bekan­nter Gaiman-Manier witzig, die Dialoge sind rotzig und die Fig­uren vielschichtig. Und auch wenn der Band ver­glichen mit anderen Edda-Samm­lun­gen eher kurz daher kommt, ist er so doch genau richtig.
Neil Gaiman: Nordis­che Mythen und Sagen, Eich­born Ver­lag, 253 Seit­en, 2017

Maja Lunde — Die Geschichte der Bienen

Drei Hand­lungsstränge aus unter­schiedlichen Epochen führen die His­to­rie der Bienen zu einem kun­stvollen Ganzen: Der Forsch­er William ver­sucht sich 1852 im vik­to­ri­an­is­chen Eng­land mit sein­er Tochter an einem inno­v­a­tiv­en Bienen­stock-Patent. Der Farmer George glaubt 2007 an die Expan­sion sein­er Bienen­zucht und 2098 sind die Bienen weltweit längst ausgestorben.
Maja Lunde, Jahrgang 1975 und Mut­ter dreier Söhne, wün­scht sich für nach­fol­gende Gen­er­a­tio­nen eine lebenswerte Umwelt, ihre Botschaft ist klar. Das Bienen­ster­ben ist allerd­ings kein zukün­ftiges Schreck­ensszenario, son­dern durch Monokul­tur, Schädlings­be­fall und Insek­tizide längst Real­ität. Ihr Buch ist aber nicht allein ein ein­dringlich­er und gut les­bar­er Ökokri­mi, ein weit­eres The­ma ist ihr wichtig: die wech­sel­seit­i­gen Verbindun­gen zwis­chen Eltern und Kindern. Jed­er ihrer Plots inter­pretiert eine neue schwierige Eltern- und Kind­beziehung um Erwartun­gen, Hoff­nun­gen und Ver­luste. Und am Ende des Buch­es schließt sich der Kreis sog­ar und die Verbindung der drei unter­schiedlichen Charak­ter untere­inan­der wird klar. Der Roman wurde zu Recht mit dem Nor­wegis­chen Buch­händler­preis ausgezeichnet!
Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen, btb, 512 Seit­en, 2017

Jussi Adler Olsen — Selfies

Wenn man sich schon durch Olsens erste sechs Dez­er­nat-Q-Bände gekämpft hat, muss man ein­fach weit­er­lesen. Num­mer 7 heißt “Self­ies” und dies­mal wird Mør­ck zur Aufk­lärung eines aktuellen Todes­falls von der Mord­kom­mis­sion in Kopen­hagen hinzuge­zo­gen. Schnell stellt sich jedoch her­aus, dass es eine Verbindung zu einem von Mør­cks cold cas­es gibt, die die Ermit­tlun­gen fol­gen­schw­er bee­in­flussen wird. Gle­ichzeit­ig wird Mør­cks Assis­tentin Rose von pri­vat­en Begeben­heit­en heimge­sucht, die es ihr unmöglich machen, weit­erzuleben wie bisher.
Adler-Olsen bringt in Self­ies wieder unzäh­lige Hand­lungsstränge zwis­chen die Buchdeck­el und hält die Leser mit unglaublichen Geschicht­en in Atem. Und wie schon in seinen Vorgängern nimmt man Adler-Olsen die meis­ten Sto­ries nicht wirk­lich ab, find­et die vie­len Zufälle unglaub­würdig und schüt­telt über die ein­fache Sprache den Kopf. Und den­noch: Man muss ein­fach weit­er lesen und wird auch einen möglichen Band 8 wieder ver­schlin­gen. Denn das Mør­ck-Uni­ver­sum hat einen schon längst einge­saugt und das Woh­lerge­hen der Fig­uren liegt einem am Herzen. Ein Buch für Fans!
Jus­si Adler Olsen: Self­ies, dtv Ver­lags­ge­sellschaft, 576 Seiten

Alle Büch­er sind erhältlich im Buch­han­del vor Ort!