Die andere Tochter” von Ingibjörg Hjartardóttir

Meine liebe Tochter, ich gehe nicht davon aus, dass du diesen Brief jemals lesen wirst. Den­noch haben ich das Gefühl, nicht gehen zu kön­nen, bevor ich dir von mein­er Ent­deck­ung erzählt habe.

Mit diesen Zeilen begin­nt die Erzäh­lerin den Brief, der den ganzen Roman füllen wird. Die Geschichte spielt auf dem ländlichen Kuh­hof Sigurhæ∂ir, wo Worte wie Pfer­dezucht, Spül­beck­en oder Led­er­pantof­fel zum täglichen Sprachge­brauch gehören. Die Men­schen leben ein beschei­denes Leben, sie melken, scheren und besamen. In diese Idylle kommt die reyk­javiker Jour­nal­istin, die eigentlich nur ein Inter­view führen wollte. Doch lassen sie die Geschehnisse und die Men­schen der Umge­bung nicht mehr los und sie will bleiben, bis sie alle schein­baren Rät­sel entschlüs­selt hat. Doch erst acht Jahre später, sie lebt nun als Schafzüch­terin auf dem Hof, begin­nt sie die Zusam­men­hänge und ihre eigene Verbindung zu ver­ste­hen. Das selt­same Ver­hal­ten ihrer Tochter, deren späteres Ver­schwinden und das plöt­zliche Auf­tauchen der geheimnisvollen Magd am Neu­jahrstag vor neun Jahren.

Die isländis­che Autorin Ingib­jörg Hjar­tardót­tir hat mit „Die andere Tochter“ einen poet­is­chen und fes­sel­nden Roman geschrieben. Geschickt webt sie fik­tive Märchen­mo­tive in die real­is­tis­che Geschichte ein, sodass diese weniger fan­tastisch, son­dern als real rezip­iert wer­den. Der Roman ist außer­dem nicht chro­nol­o­gisch aufge­baut, Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und schein­bare Gegen­wart wech­seln sich den Launen der Brief­schreiberin unter­w­er­fend ständig ab. So klären sich die Ver­ket­tun­gen auch für die Leser erst mit dem anhal­tenden  Lesen auf und das langsame Zusam­men­führen der einzel­nen Geschicht­en lässt span­nung­shal­tend auf sich warten. Der Roman ist nicht lang, er umfasst nur 205 Seit­en, doch ist er ein absolutes Klein­od. So poet­isch und bildlich geschrieben, dass die Geschichte in jede Pore ein­dringt. Am Ende möchte man das Buch am lieb­sten glück­lich über den Rück­en stre­ichen und die Seit­en ein let­ztes Mal mit den Fin­gern blättern.

Dieses Buch kann übri­gens portofrei bei Panke­buch bestellt werden.

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