EU Handelsverbot für Robbenprodukte gefährdet Lebensweise der Inuit

Das Han­delsver­bot für Robben­pro­duk­te der EU hat nicht nur die Kla­gen von Inu­it- und Jägeror­gan­i­sa­tio­nen sowie Kanadas und Nor­we­gens Kla­gen bei der WTO her­vorgerufen, es hat auch ganz reale Kon­se­quen­zen für Robben­jäger, Inu­it und die Europäis­che Union.

Inuit — Folgen für Kultur und Unabhängigkeit

Der ICC (Inu­it Cir­cum­po­lar Coun­cil) reagierte auf das Han­delsver­bot für Robben­pro­duk­te, auf der ICC-Web­site: “The EU ban on seal prod­ucts, even with an so-called ‘Inu­it exemp­tion’ has already result­ed in a col­lapse of the mar­ket. Green­land and Cana­da has sold zero (0) prod­ucts in 2008.” Auch wenn die fol­gende Grafik aus der Daten­bank von Grøn­lands Sta­tis­tik für 2008 noch Verkäufe auflis­tet, ist doch ein sehr deut­lich­er Abwärt­strend der Exporte grön­ländis­ch­er Robben­felle und Robben­fell­pro­duk­te zu erkennen.

Export Robbenprodukte

Export von grön­ländis­chen Robben­fellen und Pro­duk­ten aus Robben­fell 2000–2013 Quelle: Grø­lands Statistik

Auch eine kanadis­che Studie aus dem Jahr 2012 zeigt, dass der Markt für Robben­felle aus dem kanadis­chen Ter­ri­to­ri­um Nunavut, das zu 85% von Inu­it bewohnt wird, einge­brochen ist und die Preise für den Verkauf von Fellen gesunken sind. Es stellt sich die Frage nach der Durch­set­zung der Aus­nah­meregelung für den Export von Robben­pro­duk­ten aus der Jagd von Inu­it. Offen­sichtlich hat die EU hier keinen Weg gefun­den, die Aus­nah­meregelung auch anwend­bar zu gestalten.

Bei ein­er Präsen­ta­tion im Europäis­chen Par­la­ment 2012 zeigte sich Grön­lands dama­lige Min­is­terin für Fis­cherei, Jagd und Land­wirtschaft, Ane Hansen, sehr besorgt über das Han­delsver­bot, weil es auf Emo­tio­nen basiere und nicht auf Fak­ten. Sie beschreibt, dass der Markt für Robben­felle, trotz der Aus­nahme für Inu­it, zer­stört wird. Dies hin­dere die Grön­län­der an ein­er effek­tiv­en Nutzung der Ressourcen und mache sie abhängiger von der Ein­fuhr west­lich­er Nahrung. Der Vor­sitzende der grön­ländis­chen Fis­ch­er- und Jägeror­gan­i­sa­tion, Leif Fontaine, sagte: “Seal­ing and seal prod­ucts pro­vide sus­tain­ment and employ­ment across Green­land, espe­cial­ly in the most remote areas. […] The EU trade ban has led to the col­lapse of the seal trade world­wide, putting the Greenland’s hunters under severe pres­sure with the risk of destruc­tion of their cul­ture.” Außer­dem gefährde eine wach­sende Robben­pop­u­la­tion den Fis­chbe­stand und zer­störe die Net­ze der Fischer.

Kommerzielle Jäger — Auch ihre Lebensweise ist von ihrer Arbeit geprägt

Die Jagd der kom­merziellen Jäger unter­schei­det sich von der der Inu­it darin, dass die Inu­it sehr viel weniger Tiere jagen und einen größeren Teil der Robbe vor Ort nutzten. Die kom­merziellen Jäger exportieren in größeren Men­gen. Die wirtschaftlichen und kul­turellen Fol­gen für kom­merzielle Robben­jäger ähneln den­noch denen für Inuit.

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Robben­jäger­boot im Eis

Denn auch die Lebensweise von kom­merziellen Robben­jägern und Fis­ch­ern ist durch ihre Arbeit geprägt: Wenn sie von ihrer Arbeit nicht mehr leben kön­nen, dro­ht ihnen neben Arbeit­slosigkeit und Armut auch der Ver­lust ihrer Lebensweise. Im näch­sten Teil dieser Serie wird dieses Prob­lem noch etwas genauer betrachtet.

Die EU — In ihrer Arktispolitik ausgebremst

Für die Europäis­che Union ergeben sich vor allem Kon­se­quen­zen für ihre Ark­tis-Poli­tik. Bere­its im Jahr 2009 wurde der EU-Antrag auf einen ständi­gen Beobachter­sta­tus im Ark­tis­chen Rat, dem derzeit wichtig­sten Forum für ark­tis­che Poli­tik, abgelehnt. 2011 und im Mai dieses Jahres wurde der Antrag erneut abgelehnt. Eine Begrün­dung dafür ist die Ein­führung des Han­delsver­bots für Robben­pro­duk­te. Der Ark­tis­che Rat basiert auf dem Kon­sens-Prinzip, dies bedeutet, dass bei ein­er Entschei­dung alle Mit­gliedsstaat­en   zus­tim­men müssen. Die kanadis­che Inu­it Organ­i­sa­tion Inu­it Tapiri­it Kanata­mi lehnt einen Beobachter­sta­tus der EU auf­grund des Robben­han­delsver­bots ab und kon­nte auch die kanadis­che Regierung davon überzeu­gen, die ihre Zus­tim­mung für einen ständi­gen Beobachter­sta­tus der EU im Ark­tis­chen Rat ver­weigerte. Andreas Østha­gen vom Arc­tic Insti­tute kom­men­tierte die diesjährige Ablehnung so: “The EU has worked vig­or­ous­ly over the last few years to legit­imize its role as an Arc­tic actor, but its import ban on seal prod­ucts has been a con­stant blem­ish on its aspi­ra­tions to a per­ma­nent observ­er seat at the Arc­tic Coun­cil.” Ob und wann Kana­da seinen Wider­stand gegen einen ständi­gen Beobachter­sta­tus der EU aufgibt, ist unklar.

Lösungen?

Eine schnelle Lösung, die allen Parteien gerecht wird, ist nicht in Sicht. Auf Seit­en der Inu­it fordert der ICC  eine Aufk­lärungskam­pagne für  EU-Bürg­er und Inu­it-Gemein­schaften sowie ein Bil­dung­spro­gramm für Robben­jäger, deren Einkom­men haupt­säch­lich vom Verkauf von Robben­pro­duk­ten abhängt, um andere Ein­nah­me­quellen erschließen zu kön­nen. Darüber hin­aus fordert er eine sozio-ökonomis­che Analyse über diese Bevölkerungs­gruppe zu erstellen, sowie einen Aus­gle­ich für die Ein­nah­mev­er­luste der Jäger.

In der Studie Report on the Impacts of the Euro­pean Union Seal Ban zum Ein­fluss des Han­delsver­bots auf die Inu­it in Nunavut sieht die Regierung Nunavuts nur eine Rück­nahme des Han­delsver­bots als Lösung für die Sit­u­a­tion der Inu­it an. Nur diese Maß­nahme könne die Bedin­gun­gen des europäis­chen Mark­tes wieder auf das Niveau der Zeit vor dem Ver­bot zurück­set­zen. Eine zweite, weniger erfol­gre­iche und nicht wün­schenswerte, Lösung sieht sie in ein­er aggres­siv­en Ver­mark­tung der Robben­pro­duk­te von Inuit.

Der Forsch­er Niko­las Sell­heim bezweifelt, dass es zu ein­er Rück­nahme des Han­delsver­bots kommt. Die Rechts­grund­lage für das Ver­bot sei rel­a­tiv solide, da es auf der Har­mon­isierung des Bin­nen­mark­tes basiere und nicht auf dem Woh­lerge­hen der Tiere. Allerd­ings hält er die “Ein­führung ein­er Klausel, die sich auf Tier­wohlfahrt bezieht – wie sie im Entwurf zur Verord­nung im Jahre 2008 vorkam” für möglich. “Dieser sah vor, dass solche Pro­duk­te auf dem Bin­nen­markt platziert wer­den dür­fen, die aus der Jagd mit stren­gen Tier­schutzkri­te­rien stam­men. Diese Klausel ist allerd­ings in der Verord­nung 1007/2009 nicht mehr zu find­en, da es Bedenken über die Kon­trolle dieser Kri­te­rien gab.” so Niko­las Sellheim.

 

Der näch­ste Teil der Serie zum EU-Han­delsver­bot für Robben­pro­duk­te ist ein Inter­view mit dem Forsch­er Niko­las Sell­heim, der als neu­traler Beobachter auf einem Robben­jäger­schiff mit­ge­fahren ist.

Teil 2 — Robben­jagd – ein umstrittenes Geschäft

Teil 1 — Das EU-Han­delsver­bot für Robben­pro­duk­te – eine poli­tis­che Entscheidung?

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